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Wenn Kinder in die Schule kommen, so die Grundüberzeugung von Fee Czisch, sind sie in der Regel hochmotiviert und lernbereit. Die ehemalige Grundschullehrerin und heutige Lehrbeauftragte für Grundschulpädagogik an der Universität München hat in Theorie und Praxis ihre "ganz persönliche Schulreform" gestaltet und gegen die Widerstände des autoritären Schulsystems im konservativen Bayern durchgesetzt. Die Schule, als Lebensraum der Kinder konzipiert, motiviert sie und macht sie reif zum selbständigen Lernen.
Fee Czisch: Was brauchen Kinder zum "Aufwachsen in Vernunft", was müssen sie heute auf welche Weise lernen? Welche Fähigkeiten ihrer Bürger braucht eine demokratische Gesellschaft? Und was ist meine Rolle in diesem Spiel; was brauchen Kinder von mir, um zu gedeihen, um die Fülle ihrer Möglichkeiten aufzugreifen, um ihre Fähigkeiten zu erkennen, zu entfalten und zu kultivieren, Meisterschaft zu erwerben, selbstbewußt und selbstständig zu werden, fähig, Beziehungen einzugehen und konstruktiv zu gestalten; um tatkräftig ihr Geschick selbst in die Hand nehmen zu können; verantwortungsbewußt zu handeln, eine Bereicherung für die Gesellschaft zu sein?
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Aus der Einführung von Mira Maase
Was ist ein Unterricht, in dem Kinder etwas für das Leben lernen? Was ist es, das den Schulunterricht für Kinder interessant macht? Wann können wir von einer Lehrerpersönlichkeit sprechen, die mit ihrer eigenen Lebenserfahrung einen demokratischen Unterrichtsstil pflegt?
Die Fragen sind nicht neu. Sie haben sich seit Einführung der allgemeinen Schulpflicht im 19.Jahrhundert so oder ähnlich immer wieder gestellt.
Die Rohrstockpädagogik, wenn wir sie denn Pädagogik nennen wollen, hat zwar die Schulzimmer verlassen. Prügelstrafe und ähnliche Disziplinierungsmethoden, die sich bis in die Adenauerzeit erhalten hatten, gelten heute als strafbare Körperverletzung. Und trotzdem muß sich eine Reformpädagogin wie Fee Czisch immer noch als Rufer in der Wüste bezeichnen: "Ich vertrete also immer noch etwas Fremdes, Bizarres, eine immer noch 'alternative Unterrichtsform'."
Wir kommen nicht darum herum, von Menschenbildern und Weltanschauung zu sprechen. Obwohl Kinder im schulpflichtigen Alter inzwischen Rechte genießen wie nie zuvor, hat sich an den Normen der Regelschule nichts geändert. Leistung, die man benoten kann, ist immer noch der höchste schulische Wert, weil sie den Ausschlag geben soll für die Karriere, in deren Dienst der ganze spätere berufliche Lebensweg gestellt werden soll bis zur Verrentung. Reformpädagogen haben von Anfang an versucht, demokratische Gedanken in der Schulpraxis zu verwirklichen. Ich nenne stellvertretend für alle nur: Otto Rühle, Maria Montessori, Alexander Neill. Ihnen allen könnte man als Motto die Forderung von Marx voranstellen, daß die Erzieher, bevor sie
erziehen, selbst erzogen werden müßten. Der erzogene Erzieher als Ausdruck einer Pädagogik aus dem Geist des humanistischen Menschenbildes, das ist es auch, was wir bei der Reformpädagogin Fee Czisch finden, die in ihrer Volksschullehrerpraxis immer an den Bedürfnissen, Interessen und Fähigkeiten der ihr anvertrauten Kinder angesetzt hat, und die auch als Lehrbeauftragte für Grundschulpädagogik an der Universität München von sich sagen kann: "Es geht mir darum, radikal den kleinen Menschen in den Mittelpunkt zu stellen."
Darüber hat sie nun ein überaus lesenswertes Buch geschrieben, das man schon jetzt als Standardwerk bezeichnen kann. »Kinder können mehr« - mit dem Untertitel: Anders lernen in der Grundschule - ist zugleich ein Dokument ihrer Erfahrungen auf dem Weg einer ganz persönlichen Schulreform, ein Weg von unten wohlgemerkt, nicht von oben.
Fotos: © Peter Worm
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