"Ins Finstere. Ins Schlachthaus."
Ätzen in Eisen: Erika Eller spielt Christa Wolfs "Kassandra" im Modernen Theater
"Hier war es... Diese steinernen Löwen, jetzt kopflos, haben sie angeblickt". Sie liest den Anfang des Buches wie eine Chronik, legt es beiseite, geht, schleppt sich mit einem doch seltsam leichten Gang ins Geschehen hinein: Erika Eller ist Kassandra.
Seit 1983 denkt bei diesem Namen keiner mehr spontan an Homer und Aischylos, sondern, natürlich, an Christa Wolf. Die Erzählung, wurde als literarisches Ereignis gewertet und war ein Bestseller, lange vor dem sich politisch plusternden Kritikerstreit um die Autorin. Ein Monolog als Modell und Menetekel. Und als Manifest gegen Feindbilder. Wann der Krieg beginnt, das kann man wissen. Aber wann beginnt der Vorkrieg?" Vor dem Tor von Mykene, in den letzten Stunden vor ihrem gewaltsamen Tod, stellt sich die Troerin ihrer Geschichte. In der Flut der Erinnerungen, Nachdenklichkeiten, Aufschreie wird die eigene Kontur auch für sie selbst erkennbar: die Oberschicht-Frau, zum Objekt gemacht und im Kampf dagegen zur Außenseiterin geworden.
von SUSANNE HEYDEN