Sabine Peters


Do. 20. März 2014
20.00 Uhr
Sabine Peters (Hamburg)
liest aus ihrem neuen Roman
»Narrengarten«
(Wallstein Verlag)

Lesung und Autorengespräch


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Buchcover: Sabine Peters »Narrengarten«



In 26 Kapiteln entfaltet Sabine Peters liebevoll und mit großer Empathie Porträts von Menschen wie du und ich: Szenen einer Ehe zwischen dem heimlichen Alkoholiker Eberhard und seiner Frau Lotte; blaue Stunde einer alleinerziehenden Mutter; der Kunsthistoriker und Hausmann Piet mit seinen Alpträumen vom Vater; Frau Kaiser, einst beliebte Bibliothekarin, die jetzt nur noch von ihren Erinnerungen besucht wird; und Vera, die middle class Hausfrau ("Man muß zumindest Stil bewahren, wenn der Sinn schon fehlt").

Es handelt sich um Nahaufnahmen mit viel lakonischem Witz und einer feinfühligen Beobachtungsgabe. Sabine Peters erinnert in diesem Roman an die Charakterisierungen und Mentalitäten von Tschechow und Walker Percy – ganz andere Gesellschaften, ganz andere Zeiten, und doch läuft alles hinaus auf den gemeinsamen Nenner: die fatalistische Tabugesellschaft.


Ein literarisches Buch zum Thema Entfremdung

Sabine Peters - Veranstaltung "Narrengarten" 20.3.2014


Aus der Einführung von Mira Maase:

Anton Čechov, der russische Schriftsteller, der 1904 starb, schrieb einmal: "Die Menschen gehen nicht zum Nordpol. Sie gehen ins Büro, streiten sich mit ihrer Frau und essen Suppe." Diesen Blick von Čechov können wir auch bei Sabine Peters feststellen. Sie schreibt Geschichte von unten, aber wie bei dem russischen Autor wird das Banale der Alltagsgeschichten nicht banal, sondern interessant. Ihre Narren in dem Roman »Narrengarten«, aus dem sie heute lesen wird, sind alltäglich und werden in ihren Alltagserlebnissen dargestellt, die alle so klingen, als würden die Fragen nach dem Sinn des Lebens gestellt. Natürlich werden solche Fragen nicht gestellt und deshalb auch nicht beantwortet. Aber wenn ein Ehemann nächtliche Alpträume hat, eine Pharmavertreterin unter Streß leidet, ein ganz normaler Rechtsanwalt verliebt ist oder ein Museumsbesucher vor den Bildern auf die Knie fallen möchte, entsteht ein vielstimmiger Chor, der witzig, überheblich, nachdenklich oder überspannt in der Alltagssprache daherredet. In dem Erzählteppich, den Sabine Peters von heutigen Durchschnittsmenschen entwirft, spiegeln sich alle gegenseitig wider: Was ist ihre Wahrheit? Wer von ihnen hat recht und wer nicht? Und was sagen sie uns über die Gesellschaft, in der sie leben und unter der sie mehr oder weniger leiden?

Die direkte und zupackende Sprache dieses Buches macht alle Personen zu exemplarischen Figuren, so dass es vorkommen kann, daß eine Hausfrau im schwäbischen Reutlingen im anschließenden Gespräch aufsteht und sagt: So bin ich ja gar nicht, wie ich hier dargestellt werde! Sie sieht sich also dargestellt, obwohl sie gar nicht vorkommt. Oder doch?

Was immer mitschwingt, ist die Sympathie unserer Autorin für ihre Figuren – Sabine Peters möchte, daß es ihnen besser geht und das Leben ihnen besser gelingt als sie es zustande bringen. Und deshalb dürfen Sie jetzt mit großen Ohren zuhören, wie es der Bibliothekarin Gerlinde und ihren anderen Mitmenschen in diesem kaleidoskopartigen Roman ergeht.

Sabine Peters und Mira Maase - Veranstaltung "Narrengarten" 20.3.2014

Fotos: © Peter Worm

Do. 20. Januar 2011
20.00 Uhr
Wie wir zu leben versuchen,
ohne uns korrumpieren zu lassen

Lesung Sabine Peters (Hamburg)
»Feuerfreund« (Roman)

Dichterlesung und Gespräch mit der Autorin


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»Die Zeremonie des Abschieds« heißt das berühmte Buch von Simone de Beauvoir, in dem es um ihren Abschied von Jean-Paul Sartre geht. Auch in Sabine Peters' jüngstem Roman geht es um einen solchen Abschied - eine Liebesgeschichte, die von ihrem Ende her erzählt wird. Mit fast 80 Jahren (nach mehr als zwanzig Jahren Zusammenseins) stirbt der Schriftsteller Christian Geissler, der in ihrem Roman jetzt Rupert heißt, und wir erleben als Lesende trotzdem keinen Schlüsselroman, bei dem wir etwas peinlich berührt genötigt werden, durchs Schlüsselloch zu gucken, sondern eine im höchsten Sinne authentische Geschichte, durch poetische, musikalische und einfühlsame Sprache verdichtet.

"Über das Leben und die Lebensformen in unserem Land in den letzten Jahrzehnten und darüber, welche Rolle der linke Diskurs dabei gespielt hat, erteilt uns dieser Roman einen so erstklassigen wie unaufdringlichen Anschauungsunterricht" schreibt Jochen Schimmang in der taz. "Es ist Sabine Peters' bisher bestes Buch."




Aus der Einführung von Mira Maase:

Dies ist ein Buch über die heimatlose Linke, dargestellt an einem exemplarischen Beispiel. Ich muß zunächst an diesen heute nicht mehr gebräuchlichen, ja sogar vergessenen oder verdrängten Ausdruck erinnern, damit klar wird, um was es in diesem Roman von Sabine Peters eigentlich geht. Als heimatlos bezeichnete man, in den 50er bis 70er Jahren etwa, nämlich alle Linken, die in keine Partei eintreten wollten, weil sie sich von keiner Partei entmündigen lassen wollten, also weder in die KP noch in die SED und schon gar nicht in die SPD. Heimatlose Linke war jener Standpunkt, entweder ein mit einiger Herablassung mitleidig ausgesprochenes Wort, oder es war ein Gütezeichen für alle, die sich dem Zugriff von Parteifunktionären und Parteiideologien entzogen haben.

Ich sage das deshalb so ausführlich zu Beginn meiner heutigen Einführung, weil die Autorin selbst ihn nicht benutzt und wahrscheinlich auch gar nicht benutzen kann, weil der Altersunterschied von mehr als drei Jahrzehnten zu ihrem "Feuerfreund" sie zu einem Kind einer anderen Zeit gemacht hat, als dieser Feuerfreund selbst gewesen ist. Der Reiz dieses Buches liegt also gerade darin, daß die 1961 geborene Sabine Peters die letzten 20 Jahre eines Schriftstellers vom Jahrgang 1928, die sie selbst mit ihm verbracht hat, aus ihrer Sicht intim und zugleich mit politischem Abstand schildern kann, ohne sich selbst als vergrämte alte Frau und trauernde Witwe darstellen zu müssen. Man hat es ihr in manchen Rezensionen verübelt, Tenor: Warum kann sie den Alten nicht endlich loslassen?

Wer das Buch von Sabine Peters gelesen hat, der wird solche lieblosen rhetorischen Fragen allerdings zurückweisen. Das Buch erzählt an einem exemplarischen Fall die Geschichte eines Menschen, der unbeugsam geblieben ist bis zu seinem Tod, weil er sich mit den gesellschaftlichen Verhältnissen im Deutschland der Nachkriegszeit nicht abfinden konnte. Dieser Mann, der im Buch Rupert heißt, ist natürlich der Schriftsteller Christian Geissler gewesen, und das Buch ist in einem sehr poetischen Stil verfaßt, so daß selbst die Süddeutsche Zeitung die Schreibkunst von Sabine Peters "ein literarisches Ereignis" genannt hat.

Soviel mal vorweg. Wir dürfen uns freuen, daß aus einem Todesfall ein Buch geworden ist, das die Liebe über den Tod hinaus von Bestand sein läßt.


Fotos: © Peter Worm

Do. 3. April 2008
20.00 Uhr
Lesung Sabine Peters (Hamburg)
Singsand. Zwischen Beer Sheva und Bethlehem
Eine kleine Ethnographie des Nahostkonflikts

Autorenlesung mit Diskussion


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Buchcover: Sabine Peters - Singsand

»Singsand« ist ein Wort aus einem Beduinengedicht. Der Titel bezeichnet sehr gut die Vorgehensweise von Sabine Peters (Jg. 1961) in ihrem poetischen Reisebericht aus Israel im Jahre 2005. Wie begegnet man als deutsche Autorin den unterschiedlichen Menschen in einem Land, das es ohne die unselige deutsche Geschichte vermutlich gar nicht geben würde? Wie spricht man als Nachkomme dieser Geschichte mit den Nachkommen derer, die wenige Jahrzehnte zuvor noch nach Palästina geflüchtet waren, um hier eine Heimat zu finden? Die Neue Zürcher Zeitung schreibt über diesen Versuch der Stipendiatin einer Universität in der Negev-Wüste, mit fragendem Blick und hellhörigen Ohren den Menschen dieser Region nahezukommen:

"Man könnte dieses Buch ein Mosaik nennen, wenn sich die Teile zusammenfügten und das Bild nicht durch die Risse geprägt wäre, die es durchziehen. Doch »Singsand« ist mehr als eine präzise Phänomenologie. Ein Ganzes ergibt sich durch den unbeirrbaren Versuch, die Augen für jedes Detail offenzuhalten, das unscheinbarste wie das verletzendste. So mündet kontrollierte, aufmerksame Subjektivität in Objektivität. Sie ist intelligent im Wortsinn: sammelnd, zusammenlesend, verstehend. Die Lektüre und poetisch geschärfte Aufzeichnung von Landschaften, Lebensformen, kulturellen Zeugnissen, Gesprächen, Zufällen und ihren versteckten Gemeinsamkeiten fügt sich zu einer Ethnographie, die, ohne zu appellieren, gegen jedes 'gerechte' Urteil plädiert. Denn nur wer zu fragen versteht, mag verstehen. Dies lernt, wer »Singsand« liest."













Aus der Einführung von Mira Maase

Wer sich noch an den Abend mit dem Schriftsteller Christian Geissler vor eineinhalb Jahren in diesem Kulturzentrum erinnert, der darf heute mit Sabine Peters seine rund 30 Jahre jüngere Ehefrau kennenlernen. Es ist nicht mehr ganz eindeutig zu klären, wer damals wen entdeckt hat - er sie oder sie ihn. Sie war seinerzeit so etwas wie die Lektorin eines seiner zahlreichen Bücher, und er hat mir glaubhaft erzählt, er habe sich über ihre germanistische Doktorarbeit in sie verliebt, und zwar weil sie in dieser Dissertation über den österreichischen Dichter Ernst Jandl nicht trocken wissenschaftlich, sondern sehr poetisch geschrieben habe.

So ist auch ihr Buch »Singsand«, das wir heute vorstellen wollen, eher ein poetisches Buch, wenn auch keineswegs ein unpolitisches Buch. Stellt es doch eine in der Literatur seltene Auseinandersetzung mit der politischen Lage in Israel dar. Genaugenommen handelt es sich um einen Reisebericht, denn die Autorin hat die Gelegenheit wahrgenommen, eine Einladung an die Universität Beer Sheva in der Negev-Wüste zu nutzen, um fünf Wochen lang in verschiedenen Begegnungen den Positionen und politischen Problemen dieses Landes nachzuspüren. Dabei hat sie als Erzählerin keineswegs die Augen vor dem Leid der Palästinenser verschlossen und sich in dem schwelenden Konflikt eine eigene Meinung gebildet. Dabei handelt es sich um eine krisenreiche Region der Erde, in der sich verschiedene Schichten der Geschichte überlagert haben. Alle Traditionslinien, die hier verwurzelt sind, spielen heute miteinander und durcheinander und mit dem Leben der Menschen.

Sabine Peters, geboren 1961 in Neuwied, studierte Literaturwissenschaft, Politologie und Philosophie und arbeitet als Autorin und Literaturkritikerin. Für ihren Roman »Abschied« wurde sie 2005 mit dem Evangelischen Buchpreis ausgezeichnet.

Fotos: © Peter Worm

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