Biographie von Manfred Wekwerth

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Manfred Wekwerth, geb. 3. 12. 1929 in Köthen, Sachsen-Anhalt
Regisseur und Intendant

Besuchte die Oberschule und ließ sich nach dem Zweiten Weltkrieg zum "Neulehrer" ausbilden (zur Ablösung nationalsozialistisch vorbelasteter Pädagogen); engagierte sich in einer Antifa-Agitationsgruppe.

1948 schloß er sich einem antifaschistisch gesinnten Amateurtheater an.

1951 kam er nach Ost-Berlin und wurde Schüler und Regieassistent von Bertolt Brecht am Berliner Ensemble.
Erste selbständige Regie: Gorki/Brechts >Die Mutter< (1953, Theater an der Scala Wien, mit Helene Weigel in der Titelrolle). 1954 inszenierte er am Berliner Ensemble das chinesische Volksstück >Hirse für die Achte<. Es folgten: Brechts >Der kaukasische Kreidekreis< (1954) und J. R. Bechers >Winterschlacht< (1955, jeweils Co-Regie mit Brecht); Brechts >Die Tage der Commune< (UA 1956, Karl-Marx-Stadt, Co-Regie mit Benno Besson)

Nach Brechts Tod im Jahr 1956 berief ihn dessen Witwe Helene Weigel an die Spitze des Regiekollektivs am Berliner Ensemble; von 1960 bis 1969 war er Chefregisseur.
Gemeinsame Inszenierungen mit Peter Palitzsch: Synges >Der Held der westlichen Welt< (1956); Wischnewskis >Die optimistische Tragödie< (1958, Wiederaufnahme 1961 und 1967): Brechts >Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui< (1959, mit Ekkehard Schall); Baierls >Frau Flinz< (1961, Wiederaufnahme 1964).
Gemeinsame Inszenierungen mit Joachim Tenschert: Brechts >Die Tage der Commune< (1962) und Shakespeare/Brechts >Coriolan< (1964/65, 1966 zum Berliner Theatertreffen eingeladen, aber nicht aufgeführt); Kipphardts >In der Sache J. Robert Oppenheimer< (1965, mit Schall); Brechts >Flüchtlingsgespräche< (1966) und >Die heilige Johanna der Schlachthöfe< (1968, mit Hanne Hiob); Baierls >Johanna von Döbeln< (1969, auch Mitautor)

Nach Differenzen mit Helene Weigel schied er 1969 aus dem Berliner Ensemble aus.

1970 promovierte er an der Ost-Berliner Humboldt-Universität mit der vielbeachteten Dissertation >Theater und Wissenschaft - Überlegungen für eine Theorie des Theaters<

Es folgten Regiearbeiten am Deutschen Theater Berlin: Enzensbergers >Das Verhör von Habana< (1970); Shakespeares >König Richard III. < (1972, mit Hilmar Thate; 1974 auch in Zürich mit Helmut Lohner)
Am National Theatre London inszenierte er Shakespeares >Coriolan< (1973, Co-Regie mit Tenschert)
Am Schauspielhaus Zürich u. a.: Gorkis >Jegor Bulytschow und andere< (1973, mit Traugott Buhre); Brechts >Der gute Mensch von Sezuan< (1975, mit Helmut Lohner und Renate Richter).

Von 1974 bis 1977 war er Direktor des neugegründeten Instituts für Schauspielregie in Ost-Berlin.

1977 wurde er Intendant des Berliner Ensembles (bis 1991, als Nachfolger von Ruth Berghaus)
Dort wieder Inszenierungen in Zusammenarbeit mit Tenschert:
Brechts >Leben des Galilei< (1978) und >Turandot oder der Kongreß der Weißwäscher< (1981): Brauns >Großer Frieden< (UA 1979); Brechts Fragment >Der Untergang des Egoisten Fatzer< (1987); Kleists >Prinz Friedrich von Homburg< (1990, mit Schall); ferner u. a.: Brecht/Weills >Die Dreigroschenoper< (1981, Regiekollektiv); Shakespeares >Troilus und Cressida< (1985); Erdmanns >Der Selbstmörder< (1989).
Inszenierungen am Wiener Burgtheater: Kleists >Prinz Friedrich von Homburg< (1978): "Manfred Wekwerth kommt Kleists strengem Gedanken, sprachlichem und ethischem Bau mit den Mitteln eines psychologischen Realistikers bei. Die Brecht-Schule mag man allenfalls merken, wenn er Schlachtenberichte >episch< zur Rampe hin sprechen läßt. Ansonsten bezieht er eine Art Gegenposition zur Interpretation Peter Steins, indem er das Drama des Siegers von Fehrbellin fast als antike Tragödie abrollen läßt." (Otto F. Beer, >SZ<, 8. 5. 1978)
Schillers >Wallenstein<-Trilogie (1983, mit Michael Heltau).

Als Intendant des Berliner Ensembles war er bestrebt, das Erbe Brechts zu pflegen.
Wekwerth in einem Interview mit Ursula Meves: "Brecht ist für Theaterleute immer von neuem ein unerschlossenes Gebiet, besonders da, wo man ihn zu kennen glaubt. Wir müssen seine Idee von einem Theater weiterdenken, welches auf zwei Ebenen stattfindet: der Ebene des Schauspielers und der des Zuschauers. Das heißt, wir wollen erreichen, daß der Zuschauer mitfabuliert. Wir streben ein Theater an, das den Zuschauer nicht nur in den Bann zieht, sondern auch seine eigenen Gedanken freisetzt, eine kritische Haltung bei ihm erzeugt (...). Dazu ist die Erhellung des Publikums über sich selbst nötig, über Bekanntes, Normales, Alltägliches. Dazu ist Verfremdung - allen Gerüchten zum Trotz – nötig, damit die Menschen mehr über sich erfahren, kritisch, also genußvoll." (>Neues Deutschland<, 10. 9. 1988)

Als Präsident der Akademie der Künste der DDR (seit 1982) und Mitglied des Zentralkomitees der SED (seit 1986) war Wekwerth eine der Schlüsselfiguren der DDR-Kulturpolitik. Er geriet deswegen nach dem Fall der Mauer und der damit einhergehenden politischen Wende ins Kreuzfeuer der Kritik.

1990 löste ihn Heiner Müller als Akademiepräsident ab.

Den Forderungen, er solle als Intendant des Berliner Ensembles zurücktreten, kam er 1991 nach. Er verabschiedete sich mit einer Inszenierung von Brechts >Schweyk im zweiten Weltkrieg<.

Seither Inszenierungen an verschiedenen Bühnen, u.a.
am Theater in Meiningen Brechts >Der gute Mensch von Sezuan<, (1996)
und am Theater in Halle: Brechts Herr Puntila und sein Knecht Matti< (1995); Shakespeares >Richard III.< (1997)

Wekwerth ist seit 1963 mit der Schauspielerin Renate Richter verheiratet.

Schriften u. a.:

>Theater in Veränderung< ( 1960); >Notate: Zur Arbeit des Berliner Ensembles 1956-1966< (1967); >Brecht? - Berichte. Erfahrungen. Polemiken< (1976); Brecht-Theater in der Gegenwart< (1980); >Theater in der Diskussion< (1982)

(aus Bernd C. Sucher, Hg. Theaterlexikon, München 1995)

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