Heribert Losert »Ein Maler der Moderne«

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»Heribert Losert.
Ein Maler der Moderne«
Künstlergespräche. Eine Monographie
Gespräche mit Hans Werner Saß



Mit 56 farbigen und 135 s/w-Abbildungen im Text.
Unter Mitarbeit von Mira Maase
herausgegeben von Hans Werner Saß
Verlag des Zeitgenossen, München 1994
ISBN 978-3-928167-01-7
gebunden, 182 S., € 45.-
Prof. Heribert Losert beim Signieren seines Buches auf der Buchpräsentation des Verlages des Zeitgenossen in München (Foto: Andreas Wichary, München)




"lichtung", 1995/1

Zeitschrift "lichtung"

Die "Lichtung-Kontroverse"

Hans Werner Saß (Hrsg.): »Heribert Losert. Ein Maler der Moderne«. Künstlergespräche, 56 farbige und 135 s/w-Abb., Verlag des Zeitgenossen München 1994, 181 S., 88,- DM

»Heribert Losert. Ein Maler der Moderne« ist die Monographie betitelt, die die Soziologin Mira Maase und der Schriftsteller Hans Werner Saß im Münchner Verlag des Zeitgenossen herausgebracht haben. In vier Gesprächen, die sich um die schriftlichen Äußerungen des Künstlers herum ranken, werden Leben und Werk des in Wörth/Donau lebenden 81-jährigen Malers dokumentiert und gewürdigt.

Für Losert, der vor allem auch ein leidenschaftlicher und erfolgreicher Lehrer ist und sich immer an der Waldorf-Pädagogik orientiert hat, bleiben Beherrschung von Handwerk und Technik und strenge Regeln des Bildaufbaus unabdingbare Grundlage künstlerischen Arbeitens. Der Verfechter von Ausgewogenheit und Harmonie und einer Toleranz, "die aber das Andersartige nicht nur gelten, sondern auch als Anregung empfinden und mit dem Eigenen verbinden läßt", äußert sich über kunstpädagogische, kunstgeschichtliche und technische Aspekte und erteilt der zeitgenössischen Kunst, v. a. der Malerei, eine eindeutige Abfuhr, da ihr jede handwerkliche Grundlage fehle, womit er seine eben beschworene Toleranz ad absurdum führt. Nach Loserts Kunstbegriff gibt es objektivierbare Kriterien für künstlerische Qualität, wobei er gleichzeitig das letzte Geheimnis, das das Handwerk zum Kunstwerk macht, nicht ausschließt. H. W. Saß bestärkt mit dem bis zum Überdruß zitierten und immer wieder mißverstandenen Gedanken von Joseph Beuys, daß jeder Mensch ein Künstler sein könne, das landläufige Vorurteil von der Unverständlichkeit einer Kunst, die sich nicht sofort erschließt und dem Bedürfnis nach Schönheit nicht immer unbedingt entgegenkommt. Vor allem im Hinblick darauf, daß das Buch bewußt populärwissenschaftlich gehalten ist und sich an den kunsttheoretisch unbelasteten Laien wendet, ist diese Haltung nicht ganz verständlich. Losert, der seit 40 Jahren engagiert Kunst vermittelt, sie als Mittel der Selbstfindung, Bildungsförderung, Entspannung und Heilung betrachtet, und vor allem ihre heitere Seite betont, bewertet den erzieherischen Aspekt sehr hoch, geleitet durch seine eigene Disziplin und die Prinzipien der Waldorf-Pädagogik. Wiederholt ist die Rede vom Erziehen, Hinführen, Ordnen und Zügeln.

Heribert Losert ist ein exzellenter Aquarellist und ein virtuoser Techniker, bewundert für seine zartgehauchten Übergänge und das strahlende Licht der Aquarelle. Seine Bilder ruhen in sich, sind manchmal hermetisch, konzentriert auf den Zauber der Farbe.

Es mag die Noblesse eines Menschen wie Heribert Losert sein, die es ihm nicht erlaubt, sich geschwätzig mitzuteilen, Emotionen weiterzugeben. Zurückhaltend, kultiviert und eher leise sind seine Töne, dabei aber gekennzeichnet von einer gewissen vornehmen Arroganz, die für seine Generation selbstverständlich zum guten Ton gehörte. Schade, daß seine Gesprächspartner in betulicher Bewunderung vor dem Mythos des Künstlers verharren und ihm manchmal geradezu peinlich nach dem Munde reden. Einen Bogen von Leonardo über Macke zu Losert zu schlagen, ist ziemlich überflüssig und ein Vergleich der Losert'schen Farbklänge mit einem Gedicht des exzentrisch-expressiven Georg Trakl gerät ganz einfach schief. Einen größeren Gegensatz kann man sich wohl kaum denken. Im "Urteil von Zeitgenossen" über Loserts Kunst überwiegen schwärmerische und reaktionäre Äußerungen, ein zeitgenössischer Vergleich oder auch nur der Versuch, den Künstler im Umfeld seiner Generation einzuordnen, findet nicht statt.

INES KOHL


"lichtung" 1995/2

Heribert Losert und die Moderne

Der Autor Hans Werner Saß zur Buchbesprechung von Ines Kohl in "lichtung", 1995/1

1. Ines Kohl irrt, wenn sie in ihrer Rezension meines Buches HERIBERT LOSERT. EIN MALER DER MODERNE dem Künstler Losert vorwirft, "der zeitgenössischen Kunst, v.a. der Malerei, eine eindeutige Abfuhr" zu erteilen, da ihr jede handwerkliche Grundlage fehle, womit er seine eben beschworene Toleranz ad absurdum führt." Es gibt eine ganze Reihe von zeitgenössischen Künstlern - allen voran Hajek, Meckel, Grau, Goedtke, Dörfler, Scheibe, Platschek, Antes - denen dieser Losert seine Anerkennung niemals versagen würde, auch wenn sich ihre künstlerischen Auffassungen von der seinigen z.T. ganz erheblich unterscheiden.

2. Der Losert'sche Toleranzbegriff bezieht sich eindeutig auf das Andersartige und Fremde innerhalb der Kunst - nicht auf das der Kunst Feindliche. Gerade am Beispiel des Tachismus, der ihm persönlich ganz fremd ist, macht er in diesem Buch immer wieder klar, daß er diese Spielart der Moderne trotz ihrer formauflösenden Emotionalität als eine Möglichkeit der Kunst akzeptiert, weil sie künstlerischen Maßstäben entspricht.

3. Intolerant ist er allerdings dort, wo ein Künstler sich mit seinen Werken nicht mehr auf die Kunstgeschichte bezieht, sondern sich von den Interessen des Marktes beherrschen läßt. Kunst und Kommerz sind nun einmal ein Gegensatz - so wie Kunst und Kitsch, Kunst und Kunsthandwerk, Kunst und Machwerk Gegensätze sind.

4. Worum es in meinem Losert-Buch geht, ist die Wiederherstellung der Maßstäbe zur Beurteilung von zeitgenössischer Kunst. Schon Benn hat als objektivierbares Kriterium für künstlerische Qualität seinerzeit vorgeschlagen: "Das Gegenteil von Kunst ist gut gemeint!" – und damit das Gegensatzpaar Kunst und Kitsch treffend bezeichnet. Soweit Losert hier das handwerkliche Können zum Maßstab macht, kann er sich auf das Diktum von Benn berufen.

5. Was wirft mir Ines Kohl also vor, wenn sie meint, ich würde "das landläufige Vorurteil von der Unverständlichkeit einer Kunst, die sich nicht sofort erschließt und dem Bedürfnis nach Schönheit nicht immer unbedingt entgegenkommt", bestärken, indem ich Joseph Beuys zitiere? Ist der Beuys-Satz: "Jeder ist ein Künstler!" denn nicht das Postulat der Postmoderne in Deutschland gewesen, mit dem der Modernen der Kampf angesagt wurde? Man lese einmal in Margarete Hansmanns Buch PFAUENSCHREI nach, wie Beuys damals in der entscheidenden Kontroverse vor Studenten mit Grieshaber umgesprungen ist ("An die Wand pissen kann Kunst sein! ... Ich mach euch zu Meistern, bevor ihr Schüler gewesen seid!"), dann weiß man, was mit diesem Satz gemeint war.

6. Der Mann mit der Fliegerweste hat den Kunstbegriff tatsächlich gesprengt - und zwar so nachhaltig, daß in der Folge davon alles zu Kunst erklärt werden konnte, was in Wahrheit als Antikunst gemeint ist. Nicht um die Unverständlichkeit von Kunst geht es in unserem Buch, sondern um die Aufklärung, die endlich geleistet werden muß: daß eine als Kunst getarnte Antikunst entlarvt werden kann. Dank der Gesprächsbereitschaft von Heribert Losert ist es nun möglich geworden, einen "Fettstuhl" von Beuys mit Benn als gut gemeint (Kitsch) zu bezeichnen und eine "Verpackung des Reichstagsgebäudes" durch Christo mit Grieshaber als gag, als Mätzchen, als eleganten Bluff (Machwerk).

7. Losert befindet sich mit seiner Kritik also in guter, wenn nicht allerbester Gesellschaft. Man sollte seine Positionen schon richtig zitieren, statt sie zu verschleiern. Dann käme auch beim Leser von "lichtung" das Aha-Erlebnis zustande, das Mira Maase und ich in den Gesprächen mit Losert mehrfach gehabt haben.

8. Und dennoch ist Ines Kohl für ihre Rezension zu danken. Vielleicht hat sie den Anstoß gegeben für eine Diskussion, die wieder etwas bewegt.

Mit freundlichen Grüßen

Hans Werner Saß


"lichtung", 1995/2

Hinweis zum erweiterten Kunstbegriff von Joseph Beuys

"Ich gehe davon aus, daß prinzipiell jeder Mensch ein Künstler dann ist, wenn man den Kunstbegriff, mit dem man arbeitet, so stark erweitert, daß er praktisch den Selbstbestimmungsprozeß und den Denkprozeß einschließt, den ja jeder Mensch hat...Damit sage ich nichts aus über die Qualität. Ich sage nur etwas über die prinzipielle Möglichkeit, die in jedem Menschen vorliegt "(Beuys)

Beuys verknüpft in seinem erweiterten Kunstbegriff Kunst und Gesellschaft, denn Kunst war auch für ihn, für den ebenfalls Rudolf Steiners Lehre von großer Bedeutung war, ein Heilungsvorgang. Sein erweiterter Kunstbegriff führt "in keiner Weise zur Feststellung, Kunst könne man nicht mehr machen, sondern er kommt ganz zu dem Gegenteil: es geht nur mit Kunst. Aber man muß dann zu stark erweiterten Vorstellungen über die Kunst kommen." (J.Beuys) Das hat schon wieder sehr viel mit Beuys' Vorstellung von der sozialen Plastik zutun.

Beuys hat den Anti-Kunst-Anspruch der Dadaisten und deren Forderung nach Anonymität abgelehnt: Er betonte gerade das Künstler-Individuum und förderte den Mythos der Künstlerpersönlichkeit.

Bei Beuys' erweitertem Kunstbegriff geht es um eine Überschreitung ästhetischer Grenzen u.a. in dem Sinne, daß Kunst und Leben miteinander verschränkt werden. Diesen Gedanken äußerte Erwin Michalski bereits 1932 bezüglich des Kunstwollens bei Ewald Mataré.

Mataré war bekanntlich der Lehrer von Beuys, und sein Denken bezüglich der ästhetischen Grenze wurde bei Beuys zum eigenständigen Thema, das bei ihm nicht mehr nur formal angewendet wurde, sondern eine inhaltliche Grenzüberschreitung erfuhr. Ein gleichnishafter Stoff dafür ist z.B. das Fett, das sowohl fließend wie auch fest sein kann. Beuys' Objekte und Installationen konfrontieren den Betrachter mit einem "Vorstellungsraum", in dem Kunstgegenstand und Umfeld miteinander verknüpft werden. Sie rufen Empfindungen hervor und stellen Zusammenhänge her zwischen Ereignissen und Dingen. Deswegen auch steht das Material nicht für sich selbst, sondern taucht "immer in Zusammenhang mit einer Idee auf" (Beuys) und muß hinterfragt werden auf seine Bestandteile, Wirkungsfähigkeit, Verwendungsmöglichkeit, sein chemisches und physikalisches Verhalten. Daraus setzt sich seine Aura zusammen und nur so nimmt es dann in Zusammenhang mit der Idee Form beim Betrachter an.

Von großem Einfluß auf Beuys war auch das naturbezogene Denken von Joseph Enseling, das dem naturwissenschaftlich interessierten Schüler sehr entgegenkam. Doch bedeutet Natur als Quelle der Kunst und Grundlage der Phantasie nicht auch unbedingt, daß ein auf dieser Grundlage entstandenes Bild ein wiedererkennbares Abbild sein muß. "Da aber die Mittel in diesem Fall nicht jene in der bildenden Kunst traditionell gewohnten sind, ist es der Wirklichkeit eine Stufe näher, als wenn es wirklich nur aus Form und Farbe wäre" (Beuys). Diese schlichte Feststellung kennzeichnet Beuys' Kunst eigentlich bereits umfassend.

Wer sich auf dieser Grundlage mit Beuys' Arbeiten beschäftigt, wird sich seiner künstlerischen Aussage nicht entziehen können. Wer nicht fragt, wird keine Antwort bekommen, wobei Beuys immer sich durchaus kritische Frager gewünscht hat. Denn Unkenntnis hat schon immer Mißverständnisse befördert.

Kunst ist letztlich rational nicht meßbar. Da der Inhalt des Kunstwerks in der Idee besteht, bleibt die Form immer nur eine Annäherung, ein Hinweis auf das, worum es geht. Daß die künstlerischen Mittel, etwas zu zeigen, was in der Erscheinung per se nicht sichtbar werden kann, sich im Laufe der Jahrhunderte ändern, ist ein notwendiges Phänomen der Entwicklung nicht nur in der Kunst.

"Das Gegenteil von Kunst ist gut gemeint" ist eine (Ab)Wertung, enthält aber keine brauchbaren Kriterien. Wer könnte es sich auch anmaßen, Maßstäbe zur Beurteilung zeitgenössischer Kunst, also einer in Bewegung befindlichen Kunst, festzulegen. Die Wiederherstellung von Maßstäben allerdings bedeutet, alte Meßlatten für neue Werte zu benutzen, deren Qualität sich erst im Lauf der Zeit herauskristallisieren muß. Kunst ist der Ausdruck menschlicher Gesellschaft, also eine historische Angelegenheit und somit ständig in Entwicklung begriffen.

INES KOHL

Die Beuys-Literatur ist mittlerweile nahezu uferlos. Zum Thema z.B.: Wilhelm Bojescul, Zum Kunstbegriff des Joseph Beuys. Essen, 2.Aufl. 1987.


"lichtung", 1995/4 Leserbriefe Forum

Zu Ines Kohls Erwiderung "Hinweis zum erweiterten Kunstbegriff von Joseph Beuys" auf meinen Leserbrief, in lichtung 1995/1 und 1995/2

Liebe Ines Kohl, es gibt Kriterien zur Pflanzenbestimmung, zur Unterscheidung von Sprachstilen, zur Beurteilung von Entwicklungsprozessen aller Art. Und ausgerechnet in der Kunst sollte es keine Kriterien geben, mit deren Hilfe sich Meisterwerke von Machwerken unterscheiden ließen?

Das Form/Inhalt-Problem ist ein wichtiges Kriterium in der gesamten Kunstgeschichte; und wenn Benn Kitsch als "gut gemeint" definierte, dann wies er darauf hin, daß es nicht nur darauf ankommt, was sich ein Künstler "dabei gedacht" hat, sondern viel mehr noch darauf, ob es ihm gelungen ist, seiner Idee eine künstlerische Form zu geben.

Sie verrennen sich in eine Idee von der "Idee" und sitzen dabei einer Ideologie auf. Interessant, daß Sie schreiben: "Wer könnte es sich auch anmaßen, Maßstäbe zur Beurteilung zeitgenössischer Kunst, also einer in Bewegung befindlichen Kunst, festzulegen." Es ist also tabu, die Erkenntnisse der Kunstgeschichte kritisch auf die Werke der Postmoderne anzuwenden?

Wenn das auch erklärt, warum die Kunstszene inzwischen so steril und die Ausstellungsberichte in den Feuilletons so langweilig geworden sind, als gelte es nur noch, die Nacktheit des Kaisers zu bemänteln, so führt dieses Kritikverbot doch heute schon dazu, daß als einziges Kriterium für Kunst noch übrig geblieben ist: der Erfolg.

Mir scheint, die Überzeugungskraft eines Beuys liegt auch für Sie einzig in der ideologischen Selbstdarstellung, mit der er sich durchgesetzt hat. Sie sehen in Beuys einen stigmatisierten Christus, und das macht Sie blind für seine doch ganz erheblichen künstlerischen Schwächen.

Hans Werner Saß,
München


Internet Der lichtung-verlag, Viechtach im Internet

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