Der Zeitgenosse - Buchkritik
Pressedienst Nr. 2, (Oktober 1996)
Martha Schad: »Ludwig Thoma und die Frauen«

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Der Macho

Martha Schad:
»Ludwig Thoma und die Frauen«
288 Seiten mit 16 s/w und 4 farbigen Bildseiten,
Ln. DM 54, Verlag Friedrich Pustet Regensburg

Es ist erst wenige Jahre her, daß man uns Thoma-Adepten die unsäglichen Pamphlete unseres Ludwigl im "Miesbacher Anzeiger" um die Ohren haute und damit zu Thoma-Deppen degradierte. Jedenfalls tat man das im ersten Schrecken selber und hatte fürder mit zwei Thoma umzugehen: dem fürchterlichen nach 1918 und dem grandiosen davor.
Ja, Schnecken!
Da kommt die kompetente Historikerin Martha Schad daher mit ihrem ebenso sorgfältig recherchierten und sachlich geschriebenem Buch und beweist klipp und klar: Er war schon immer so!
Schon 1899 bestanden beim "Simplicissimus" Einwände gegen den "Antisemiten".
Als "Peter Schlemihl" läßt er dann diesbezüglich gelegentlich tatsächlich die Katze aus dem Sack. Zur gleichen Zeit outet er sich als Chauvinist: "Der Krieg gefällt mir. - Ehrliche Feindschaft auf Tod und Leben - ich glaube nicht, daß es etwas Schöneres gibt. - Jagd und Krieg halte ich für die schönsten Dinge."
Nur konsequent, daß er 1915 freiwillig Sanitäter wird und unbändig stolz auf das ihm verliehene Eiserne Kreuz ist. Als im Sommer 1917 Papst Leo Xlll. ein Friedensangebot macht, spricht er sich als Mitbegründer der ultrakonservativen Vaterlandspartei im Münchner Löwenbräukeller zusammen mit dem Admiral Tirpitz dafür aus, der Regierung keine Friedensabsichten zu erlauben.
Da war nicht weit hin zum "Miesbacher Anzeiger" mit seinen unsäglichen Attacken vor allem auf die Frauen in der Politik: der "giftigen polnischen Jüdin" Rosa Luxemburg dichtet er "Löcher in ihren wollnen Strümpfen" an, andere nennt er Mannweib, Abhub in schmierigen Wollblusen, Mörtelweib; Else Lasker-Schüler ist für ihn eine Oberschlawinerin und Sprachverderberin. Womit wir beim eigentlichen Thema des Buches wären: "Ludwig Thoma und die Frauen."
Wie hielt er es mit ihnen? Er tat sie in einen Sack mit Krieg und Jagd: "Einen Hirsch erlegen löste bei ihm Gefühle aus wie sie ein glücklicher Bräutigam empfindet." Und er ging in dem Metier entsprechend um: "Ich hupf um eines Andern Frau/ Und lebe wie der Kuckuck schlau / Vergnügt im fremden Neste." Bei einer Kupplerin hatte er für Vermittlung ihrer "Objekte" Schulden in mehr als doppelter Höhe seines Monatseinkommens. "Sein Jargon war unflätig und zotenreich." Freilich war seine Bandbreite größer. Martha Schad breitet akribisch eine geradezu erdrückende Fülle an Dokumenten über - meine Strichliste sagte mir 70 - Frauen im Leben des "populärsten bayerischen Dichters dieses Jahrhunderts" aus, von der Verwandt- über die Bekannt- und Freund- bis zur Kollegenschaft.
Näher eingegangen sei nur auf die drei Marien von der tegernseer Tuften, die der Gärtner dort so charakterisierte: "Eine hysterische und eifersüchtige Köchin, eine extravagante Tänzerin und später eine kühlberechnende Freundin."
Zwei dieser Marien spielten die Hauptrollen in seinem Leben:
Marion, die exotische Schönheit von den Philippinen (ihr Bild von Slevogt ziert die Buchhülle), kaufte er ihrem Mann, einem Kabarettisten, buchstäblich ab; 1907 legte die "kleine Indianerin ihre braunen Hände in seine altbayerischen Tatzen" und spielte auf der Tuften Hausfrau mit Hühnern und Gemüsegarten. Drei Jahre später brüstete sich ein junger Stenz einer Liaison mit ihr; Thoma vertraute sich seinem Intimfreund Ludwig Ganghofer an, der drängte ultimativ - sonst sei eine Freundschaft zu ihm unmöglich - auf Scheidung, die 1911 erfolgte, was das Verhältnis zu der Geliebten jedoch nicht beendet, im Gegenteil: "Wir sind bessere Freunde als seit langem, weil wir uns trennten." Das ging bis 1918: Er hatte inzwischen Maidi kennengelernt, verkehrte mit der jüdischen Familie freundschaftlich, während er die Juden publizistisch "schmierige Lausbuben, Tango- und Spinatburschen, herausgefressene Schieber und Toppsäue" nannte, versuchte von Willy von Liebermann, der sein genaues Gegenteil verkörperte: elegant, charmant, tolerant, liebenswürdig, offen, klug und schlank die Frau auf ebenso schäbige Weise zu kriegen wie damals die Südseeinsulanerin, was natürlich mißlingen mußte. Obwohl Maidi ihren Mann verließ, kam es zu keiner Ehe mehr, weil Thoma 1921 starb.
Gottseidank ist man versucht zu sagen. Auf daß er, den die Nazis heftig für sich reklamierten, nicht das Schicksal etwa seines Co-Autors beim "Miesbacher Anzeiger", Dietrich Eckart, oder gar jenes eines Julius Streicher hätte teilen müssen. Während der Lektüre dieses ungeheueren Buches brachte das Fernsehen Wiederholungen von drei Thoma-Stücken: "Der Schusternazi": hundsmiserabel, sowie "Die Medaille" und "Moral": wunderbar!
Eugen Oker

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