Erika Eller


Do. 9. Oktober 2014
20.00 Uhr
Die poetische Interpretation der Menschenwelt

Erika Eller (Berlin) liest aus
»Das Labyrinth der Welt«
von Dieter Forte (S. Fischer Verlag 2013)

Dichterlesung


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Buchcover: Dieter Forte - Das Labyrinth der Welt

Die Menschheitsgeschichte ist eine Geschichte, die immer wieder neu erzählt werden muß, sagt Dieter Forte (Jahrgang 1935) in seinem jüngsten Buch. Dieses Buch lädt seine Leserinnen und Leser zu einem nie abreißenden Gespräch ein. Er stellt sich dabei in Gegensatz zu jenen Romanen anderer Autoren, die dem Betrachter vorgeben: So ist die Welt, so sieht sie aus. Wie in der modernen Malerei gibt es bei Dieter Forte keine Zentralperspektive mehr. Forte in einem Interview: "Sie erschaffen eine andere Welt als die mathematisch konstruierte Welt, in der Zeit nur noch eine Maßeinheit ist, die ökonomischen Normen unterliegt. Die Welt ist nicht vorgeschrieben, sondern sie bedarf der Interpretation." Was bleibt, ist die Frage nach der Zukunft der Menschheit: Und wie weiter?

Die Poesie dieser Wahrheit wird uns an diesem Abend durch die vollendete Lesung der Berliner Schauspielerin Erika Eller nahegebracht, die in unserem Kulturzentrum bereits Elias Canetti, Anna Seghers und Christa Wolf anschaulich interpretiert hat.

Do. 11. April 2013
20.00 Uhr

"Der größte Menschenerklärer"

Erika Eller (Berlin) liest aus
»Die gerettete Zunge«
von Elias Canetti


Dichterlesung


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Sein Leben, in dem nichts, gar nichts geschehen ist. Er ist auf kein Abenteuer gezogen, er war in keinem Krieg. Er war nie im Gefängnis, er hat niemand getötet. Er hat kein Vermögen gewonnen und hat keines verspielt. Alles was er getan hat, war, daß er in diesem Jahrhundert gelebt hat. Aber das allein hat genügt, um seinem Leben - in der Empfindung und im Gedanken - eine Dimension zu geben.

Dieses Zitat findet sich in den Aufzeichnungen von Elias Canetti (1905-1994): dritte Person, understatementhaft, geschichtsbewußt. 1981 bekam er endlich den langverdienten Literaturnobelpreis.

Paul Nizon, eine Generation jünger als Canetti, nannte ihn "den größten Menschenerklärer", den er kannte: "Er hatte diese nie nachlassende Neugier auf Menschen, er pirschte sich innerlich an sie heran, er schlüpfte in ihre Haut, er war ja auch Komödiant, man denke nur daran, wie er sich am Telefon in der Sprachmaske der Hausbesorgerin meldete, um unliebsame Anrufer abzuwimmeln."

Die Schauspielerin Erika Eller rezitiert aus dem ersten Band der autobiographischen Schriften dieses Dichters Kindheits- und Jugenderinnerungen. Es handelt sich um Lebensbeschreibungen, die über das Jahrhundert von Canetti hinaus als Zeitpanorama interessant und lebendig bleiben.


Veranstaltung 11.4.2013 - Erika Eller liest Canetti "Die gerettete Zunge"

Veranstaltung 11.4.2013 - Erika Eller liest Canetti "Die gerettete Zunge"

Veranstaltung 11.4.2013 - Erika Eller liest Canetti "Die gerettete Zunge"

Veranstaltung 11.4.2013 - Erika Eller liest Canetti "Die gerettete Zunge"
Fotos: © Peter Worm

Aus der Einführung von Mira Maase:

Der große Weltbürger Elias Canetti wurde als Sohn einer jüdisch-spanischen Familie im heutigen Bulgarien geboren und wuchs in England, in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich auf. In Wien studierte er bis 1929 Chemie und promovierte mit 24 Jahren zum Doktor der Chemie. 1938 emigrierte er nach dem Anschluß Österreichs an Hitlerdeutschland über Paris nach London. Zusammen mit seiner Frau Veza lebte er als unbekannter und sehr armer sogenannter freier Schriftsteller in England. Die Sprache, in der er aufwuchs, nannte sich Spaniolisch, das war die Sprache der aus Spanien emigrierten Juden im Balkan. In Manchester hatte er als Junge Englisch gelernt, und nach dem frühen Tod des Vaters übersiedelte seine Mutter mit den Kindern nach Wien und zwang ihn, Deutsch zu lernen. Damals war er acht Jahre alt. Deutsch wurde dann auch die Sprache des Schriftstellers Canetti, der unter dem Einfluß von Karl Kraus und Hermann Broch als sein Darstellungsprinzip entwickelte, gesellschaftliche Verhältnisse durch ihre eigene Sprache zu demaskieren. Daß das Private politisch sei, wurde in den 60er Jahren einer der bleibenden Slogans der antiautoritären Bewegung. Canetti wirkt hier fast wie ein Stichwortgeber und ist in der Demaskierung des Kryptofaschistischen auf jeden Fall seiner Zeit voraus. Psychologisch differenziert legt er mit seiner mehrbändigen Autobiographie das innere Gewebe dieser Gesellschaft bloß, die er typologisch porträtiert. Diese Porträts sind allerdings von einem humanistischen Standpunkt geschrieben worden, über den ein längeres Zitat hinreichend Aufschluß gibt:

Es war ihm daran gelegen, daß nichts in einem Leben verschwinde. Was ein Mensch berührt hatte, nahm er mit. Wenn er es vergaß, mußte er daran erinnert werden. Es ging nicht um den Stolz der Herkunft, der immer etwas zweifelhaft war. Es ging darum, daß nichts Gelebtes verleugnet wurde. Der Wert eines Menschen bestand darin, daß er alles enthielt, was er erfahren hatte und es weiter erfuhr. Dazu gehörten die Länder, in denen er gelebt, die Sprachen, die er gesprochen, die Menschen, deren Stimmen er vernommen hatte. Dazu gehörte auch seine Herkunft, wenn etwas über sie zu erfahren war. Doch meinte er damit keineswegs bloß etwas Privates, er meinte das Gesamt der Zeit und der Örtlichkeit, der man entstammte. Zu den Worten einer Sprache, die man vielleicht nur als Kind gekannt hatte, gehörte die Literatur, in der sie aufgegangen wäre.

... Man sollte wissen, wessen die früheren Nächsten fähig gewesen waren, nicht nur, was ihnen geschah. Man sollte wissen, wessen man selber fähig war. Dazu mußte man alles kennen, von welcher Seite und aus welcher Entfernung immer sich Kenntnis bot, man sollte nach ihr greifen, sich in ihr üben, sie frisch erhalten und durch anderes, das man später erfuhr, bewässern und befruchten.

Schreiben war für Canetti also Schreiben gegen das Vergessen, und der Wert eines Menschen bestand in der Bewahrung der Erinnerung. Halten wir das einmal fest, wenn jetzt die Schauspielerin Erika Eller aus dem ersten Band der Canetti-Erinnerungen »Die gerettete Zunge« liest.


Do. 10. November 2011
20.00 Uhr
Dichtung als Erinnerungsarbeit

Erika Eller (Berlin) liest
»Der Ausflug der toten Mädchen«
von Anna Seghers


Dichterlesung


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Anna Seghers (1900-1983), eine der größten deutschsprachigen Schriftstellerinnen des 20.Jahrhunderts, schrieb ihre Erzählung »Der Ausflug der toten Mädchen« im mexikanischen Exil, nachdem sie durch einen schweren Autounfall im Koma gelegen und einen starken Gedächtnisverlust erlitten hatte. In einem Erschöpfungstraum in der flimmernden Hitze eines mexikanischen Dorfes wird die Erzählerin überwältigt von Erinnerungen an einen Schulausflug ihrer Lyzeumsklasse, der den Erzählstandpunkt 1943 mit der Handlung von 1913 verschmilzt und beim Fokus auf die Figuren jeweils auch ihr weiteres Leben miteinbezieht: Die schöne Marianne wird einen SS-Mann heiraten und beim Bombenangriff auf Mainz ums Leben kommen. Netty, die spätere Erzählerin, ist die einzig Überlebende der fünfzehn Mädchen. Diese berühmte Erzählung stellt den Versuch der Autorin dar, Vergangenheit und Gegenwart schreibend zu bewältigen: "Plötzlich fiel mir der Auftrag meiner Lehrerin wieder ein, den Schulausflug sorgfältig zu beschreiben. Ich wollte gleich morgen oder noch heute abend, wenn meine Müdigkeit vergangen war, die befohlene Aufgabe machen."

Die Berliner Schauspielerin Erika Eller, die vor einigen Jahren in unserem Kulturzentrum eine dramatisierte Fassung von Christa Wolfs »Kassandra« vorstellte, wird an diesem Abend mit ihrer Stimme die Erzählerin zum Leben erwecken. Ein literarischer Abend, auf den wir uns freuen dürfen!


10.11.2011 - Erika Eller liest "Der Ausflug der toten Mädchen" von Anna Seghers

10.11.2011 - Erika Eller liest "Der Ausflug der toten Mädchen" von Anna Seghers

Aus der Einführung von Mira Maase:

Das nun vergangene 20. Jahrhundert ist voll von Schiffbrüchen. Anna Seghers war da keine Ausnahme. Sie hat sich als kommunistische Schriftstellerin, politisch und rassistisch Verfolgte, in höchster Not gerade noch ins Exil retten können - erst nach Frankreich, dann als quasi Schiffbrüchige im übertragenen Sinne in letzter Minute nach Mexico, das zur Zeit des Hitlerfaschismus etliche Emigranten aufzunehmen bereit war: Otto Rühle, Alice Rühle-Gerstel, Trotzki und eben auch Anna Seghers. Die hatte dann, eben dem einen Schiffbruch entronnen, in Mexico einen schweren Autounfall, bei dem sie ins Koma fiel und sich nach dem Wiedererwachen Gedanken machte über die Mädchenklasse, mit der sie in Mainz aufgewachsen war. Was würde wohl aus diesen Klassenkameradinnen geworden sein?

Dichtung als Erinnerungsarbeit - und Erinnerungsarbeit als Dichtung - unter dieses Motto haben wir den heutigen Abend gestellt, an dem die Berliner Schauspielerin Erika Eller diese Erzählung »Der Ausflug der toten Mädchen« für uns lesen wird. Wir erinnern uns noch gern an die drei Theaterabende, die sie vor einigen Jahren bei uns im Kulturzentrum als Darstellerin der Kassandra von Christa Wolf gegeben hat. Hier schließt sich übrigens ein Kreis, denn das große Vorbild der DDR-Schriftstellerin Christa Wolf ist ja niemand anderes gewesen als Anna Seghers (1900-1983). Damit habe ich Sie hoffentlich noch neugieriger gemacht auf diese Lesung, als Sie es ohnehin vielleicht schon gewesen sind.

10.11.2011 - Erika Eller liest "Der Ausflug der toten Mädchen" von Anna Seghers 10.11.2011 - Erika Eller liest "Der Ausflug der toten Mädchen" von Anna Seghers
Fotos: © Peter Worm

Do. 27. Januar 2000
Fr. 28. Januar 2000
Sa. 29. Januar 2000
jeweils 20.00 Uhr


»KASSANDRA«
Szenische Fassung nach Christa Wolf
von und mit Erika Eller


Buchcover Christa Wolf »Kassandra« Kassandra - Experiment.

Seit fünf Jahren spielt Erika Eller an verschiedenen Orten die Titelfigur von Christa Wolfs berühmter Erzählung, die zur Weltliteratur gehört. "Ich beabsichtige, die Kassandra- Gestalt so zu verkörpern, daß ihr Denken, ihr Fühlen den Zuschauern sinnlich erfahrbar werden, sie teilhaben an ihren Erinnerungen, dem Prozeß ihrer Selbstfindung und ihrem Weg zur Überwindung der Angst, und sie Zeugen werden an ihrem Vermächtnis." Nachdem wir Klaus Henner Russius und Jaap Achterberg aus Zürich mit ihren Textadaptationen von Kleist und Camus erfolgreich nach München geholt haben, holen wir jetzt Erika Eller aus Berlin, damit sie in einer eigens für unseren Raum geschaffenen Münchner Fassung an drei Abenden die Kassandra spielt.



Kulissengeflüster: Erika Eller im Gespräch mit Hans Werner Saß. Foto: Peter Worm
Kulissengeflüster: Erika Eller im Gespräch mit Hans Werner Saß.
Foto: © Peter Worm

Kritik

Susanne Heyden in "Der Tagesspiegel" vom 31. Juli 1994

Biographie

Erika Eller, geb. 1945, absolvierte ihre Ausbildung als Schauspielerin an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (Max-Reinhardt-Schule) in Berlin.
Ihr Debüt gab sie 1970 an der Schaubühne in Berlin.
Bis 1988 spielte sie an Stadt- und Staatstheatern der Bundesrepublik (zuletzt am Schauspiel Essen) eine Vielzahl von Rollen des klassischen und modernen Repertoires.

Sie absolvierte eine Ausbildung zur Atempädagogin bei Prof. Ilse Middendorf in Berlin.

1989 - 1993 war sie Lehrbeauftragte an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Graz, sowie Gastprofessorin an der HdK, Berlin.

Seit 1989 arbeitet sie als freie Schauspielerin in Berlin u. a. am MODERNEN THEATER BERLIN, am MAGAZIN am Kurfürstendamm, sowie am Theater THIKWA, einem künstlerisch-sozialen Experiment mit behinderten Darstellern.

Seit 1994 erarbeitet sie eigene Produktionen u. a. KASSANDRA von Christa Wolf, POEM OHNE HELD von Anna Achmatowa, KEIN FRÜHLING KEIN HERBST, ein Stück über Camille Claudel, von Conny Frühauf (UA am 21. August 1998).

Internet
Biographie zu Erika Ellers Film- und Theaterarbeit



Erika Eller "Sabine Spielrein"

Erika Eller "Sabine Spielrein" Postkarte an das Kulturzentrum


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