Hansgeorg Hermann


Do. 6. Mai 2010
20.00 Uhr

"Was ist der Mensch?"

Hansgeorg Hermann (Paris) liest
aus seinem Roman »Ahab«

Autorenlesung mit Diskussion


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Buchcover: Hansgeorg Hermann - Ahab


Wer die griechische Insel Kreta nur von Last-minute-Ferienreisen in Touristenhotels kennt, wird sicher erstaunt sein über diesen Roman eines deutschen Journalisten, der das Innenleben, das Denken, Fühlen und die Mentalität der kretischen Inselbewohner beschreibt und damit zugleich eine politische Philosophie beschwört, in der westdeutsche und griechische Geschichte ineinander verschränkt sind.

Bei Hansgeorg Hermann handelt es sich um den geschichtskundigen Biographen des griechischen Komponisten Mikis Theodorakis, den wir vor einigen Monaten in unserem Kulturzentrum vorgestellt haben. In seinem autobiographisch gefärbten Roman geht es um die Zeit vor dem dritten amerikanischen Golfkrieg, als Kreta in den Focus der Weltpolitik geriet. Die amerikanische Bomben-Diplomatie wird als Geschichte von unten erzählt. Und in dieser Kaffeehausperspektive der eigenen Ohnmacht geht es im letzten immer wieder um die Frage des Widerstands gegen die unmenschlichen Verhältnisse, die Griechenland insgesamt schon beinahe in den wirtschaftlichen Ruin getrieben haben.

Kreta - Relief-Karte


Veranstaltung am 6.5.2010 Hansgeorg Hermann - Ahab

Veranstaltung am 6.5.2010 Hansgeorg Hermann - Ahab

Veranstaltung am 6.5.2010 Hansgeorg Hermann - Ahab

Aus der Einführung von Mira Maase:

Wer die Frage "Was ist der Mensch?" im Sinne der Politischen Philosophie stellt, der fragt eigentlich nach den Verhältnissen, die nach Marx die Menschen zu erniedrigten, geknechteten, verlassenen, verächtlichen Wesen machen. In solchen Verhältnissen geht es immer um Krieg - nicht immer sind es mit Waffengewalt geführte Kriege, manchmal, wie wir gerade heute wieder sehen im Falle Griechenlands, sind es Wirtschaftskriege.

Der Romanautor Hansgeorg Hermann schildert in seinem Buch »Ahab«, das wir heute abend vor dem Hintergrund eines solchen Wirtschaftskrieges vorstellen wollen, die Bedingungen, unter denen ein armes Land wie der Inselstaat Griechenland leidet, ohne sich zur Wehr setzen zu können. Die Geschichte von unten, die hier erzählt wird, macht am Beispiel der Insel Kreta, wie in einer Nußschale, lebendig, wie die Macht-und Militärpolitik der reichen und herrschenden Nationen aussieht und welche Wirkungen sie erzielt. Wir erinnern uns dabei, daß das antike Griechenland einmal das Ursprungsland gewesen ist der westlichen Demokratie, bevor die politisch, wirtschaftlich und militärisch stärkeren Römer es besiegten und ihrem eigenen Römischen Reich als Provinz einverleibten. Der Gedanke der Demokratie ist in diesem Volk immer wach geblieben, auch wenn es heute wieder von kapitalistischer Ausbeutung bedroht und in die Knie gezwungen werden soll. Es wundert also nicht, wenn Hansgeorg Hermann in seinem sehr persönlichen Buch kein Blatt vor den Mund nimmt und Klartext spricht. Die Namen all derer, die die Insel Kreta mit ihrer Politik heimgesucht haben, werden nicht hinter romanhaften Pseudonymen versteckt, sondern so benannt, wie sie sich auch in die jüngste Geschichte von Kreta eingeschrieben haben.

Ein politischer Roman? Ganz gewiß, aber auch einer, der mit seiner Fragestellung den Menschen meint, in seiner humanen oder antihumanen Haltung als Mensch, Gegenmensch, Übermensch und Herrenmensch.

Fotos: © Peter Worm

Do. 18. Juni 2009
20.00 Uhr
Hansgeorg Hermann (Paris)
stellt seine Biographie vor:
»MIKIS THEODORAKIS
Der Rhythmus der Freiheit«

Lesung und Diskussion


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Plattencover - Musik von Mikis Theodorakis

Mikis Theodorakis' Werk ist einzigartig. Mit kraftvollen Liederzyklen und der Vertonung großer Literatur hat der griechische Komponist (Jahrgang 1925) wie kein Zweiter den demokratischen Widerstand gegen die Militärdiktatur symbolisiert: "Ich gehöre einer Generation an, die sich einem extremen Idealismus verschrieben hatte. Mein ganzes Leben war ein endloser Kampf zwischen dem Idealischen und dem Wirklichen, dem Alltäglichen und der Vision."

Hansgeorg Hermann (geb. 1948), Kultur-Journalist, hat seine Biographie dieses humanistischen Künstlers in enger Zusammenarbeit mit ihm geschrieben.


Mikis Theodorakis


Aus der Einführung von Mira Maase:

Ich habe mir keine bessere Einführung für diesen Abend vorstellen können, als Ihnen gleich zu Beginn ein Lied von Mikis Theodorakis vorzuspielen, das aus der Zeit seines aktiven Widerstands gegen die Militärdiktatur in Griechenland stammt. Das Lied mit dem Titel "Meer, mein Meer" entstand nach dem faschistischen Militärputsch vom April 1967, als Theodorakis im Untergrund für die Vereinigte Patriotische Front arbeitete. Durch ein heimlich aus Griechenland hinausgeschmuggeltes Tonband gelangte das Lied an die Weltöffentlichkeit. Zu Beginn der Aufnahme hörten wir Mikis Theodorakis selbst, wie er den Text erklärt und den Rhythmus durch Klopfen auf einen Tisch andeutete.


CD-Cover Canto General - Mikis Theodorakis - Livieaufnahme 1980 im Palast der Republik Ostberlin

Man muß wissen, daß dieses Lied wie überhaupt die gesamte Musik von Mikis Theodorakis bald nach der Machtübernahme von der faschistischen Junta per Militärbefehl verboten wurde. Der Komponist selbst wurde zusammen mit zahlreichen anderen Oppositionellen verhaftet, gefoltert, in die Verbannung geschickt und schließlich erneut in ein Konzentrationslager eingeliefert - nachdem er schon 20 Jahre zuvor als junger Mann von der damaligen Staatsmacht auf der Deportationsinsel Makronissos beinahe zu Tode mißhandelt worden war. Durch den Druck einer weltweiten Solidaritätsbewegung gelang es im Jahr 1970, daß Mikis Theodorakis freigelassen wurde und ins Pariser Exil ausreisen konnte.


Veranstaltung am 18.6.2009 Hansgeorg Hermann

Im Leben und Wirken von Mikis Theodorakis sind der Künstler und der politische Mensch nicht voneinander zu trennen. Wahre Kultur, das hat er erkannt, braucht Demokratie:

"Mein ganzes äußeres Leben, meine politischen und kulturellen Initiativen hatten nur einen Grund: Ich wollte einen Dialogpartner für meine Musik. Ich begriff 1960 nach meiner Rückkehr von Paris nach Athen sehr schnell, daß ich, wenn ich als Komponist überleben wollte, ein Publikum brauchte, das meine Kompositionen aufnehmen und verarbeiten kann. Aber solch ein Publikum muß erst einmal in demokratischen Verhältnissen leben - und es muß seine elementaren Grundbedürfnisse befriedigt haben: Bildung, Gesundheit, Meinungsfreiheit, Arbeit. Erst dann ist es frei und in der Lage, künstlerische Schöpfungen zu "konsumieren", überhaupt genießen zu können. Im Griechenland von 1960, und erst recht während der Juntazeit 1967 bis 1974, gab es diese Voraussetzungen nicht. Also sah ich mich gezwungen - um meine kompositorischen Ambitionen verwirklichen zu können -, für die Durchsetzung der demokratischen Grundrechte in Griechenland einzutreten."


Veranstaltung am 18.6.2009 Hansgeorg Hermann und Mira Maase

Das bedeutet ebenso, daß eine echte Demokratie auch nur mit einem gebildeten Volk zu verwirklichen ist. In einem vor kurzem in der FAZ veröffentlichten Interview von Hansgeorg Hermann mit dem 83jährigen Komponisten und Widerstandskämpfer antwortet Mikis Theodorakis auf die Frage, was für ihn politischer Widerstand ist:

"Ich will Ihnen mit einem Beispiel aus der Vergangenheit antworten: Im Juli 1947 brachte man uns, weil wir im Bürgerkrieg als Kommunisten angeblich auf der falschen Seite kämpften, auf die Insel Ikaria in die Verbannung. Ungefähr zweihundert Mann. Die meisten waren Bauern, einige waren Gelehrte, einige Künstler wie ich. Fünfzig Prozent der Verbannten aber waren Analphabeten. Wir durften auf Ikaria nicht arbeiten, wir waren in ein Lager eingesperrt, umgeben von Zäunen. Daher beschlossen wir, den Bauernsöhnen, den Fischern, den Tagelöhnern das Lesen und Schreiben beizubringen. Sie lernten das sehr viel schneller, als wir wenigen Bevorzugten angenommen hatten. Deshalb begannen wir auch noch, ihnen Unterricht in Fremdsprachen zu geben - Englisch, Französisch, Italienisch, alles, was wir konnten. Das war meiner Meinung nach unser wichtigster Beitrag im Kampf um Recht und Freiheit. Es war Widerstand. Bildung und Kultur waren der wichtigste Teil des Widerstands."


Veranstaltung am 18.6.2009 Hansgeorg Hermann beim Signieren

Mit seiner Biographie von Mikis Theodorakis zeigt sich unser heutiger Gast, der Kulturjournalist Hansgeorg Hermann, als ein Kenner der schwierigen Geschichte Griechenlands im 20.Jahrhundert, die den meisten von uns bislang weitgehend unbekannt war. Er selbst hat viele Jahre auf Kreta gelebt, wo auch die Idee zu diesem Buch entstand, das er in enger Zusammenarbeit mit Theodorakis, mit Zeitzeugen, Freunden und Weggefährten des Komponisten geschrieben hat. Bevor er mit dem Schreiben anfing, sagt er in seinem Vorwort, hat er selbst zugehört, ungefähr fünf Jahre lang. Wir freuen uns, daß Hansgeorg Hermann heute aus Paris zu uns nach München gekommen ist, um uns die Gelegenheit zu geben, ihm wiederum zuzuhören bei seinem Bericht über einen Mann, den die Griechen als einen ihrer Volkshelden betrachten.
Fotos: © Peter Worm

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