Der Zeitgenosse - Kommentare

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Von FONTANA

Kommentare zur Verdrängungslage der Nation: "German Angst" und "Berliner Republik".

Wer dazu etwas zu sagen hat, sollte es als Leserbrief an FONTANA tun.
e-mail: al-kulturzentrum@t-online.de

Veröffentlichung auf der Seite unseres Diskussionsforums.

© Verlag des Zeitgenossen


(1.1.07) Man hat es am Hals

Wolf Biermann mit Bundesverdienstkreuz
»Der rote Stern an der Jacke / Im schwarzen Bart die Zigarre / Jesus Christus mit der Knarre / – so führt Dein Bild uns zur Attacke // Uns bleibt, was gut war und klar war: / Daß man bei Dir immer durchsah ...« (»Commandante Che Guevara«, übersetzt und gesungen von Wolf Biermann): Biermann mit Bundesverdienstkreuz, Berlin, Schloß Bellevue, September 2006

Die Zeitschrift »Konkret« (Nr. 1/2007) hat recht, Wolf Biermann seine kitschigen Verse auf Che Guevara vorzuhalten. Der Traum von der Herrschaft endet, wo der Uwe Seeler des Anarchismus, der sich einst rühmte, "mit Marx- und Engelszungen" zu reden, es sichtbar am Hals hat: angekommen in der Berliner Republik.

(15.1.2007) Volksgemeinschaft

Foto aus Karl Kraus "Die letzten Tage der Menschheit"
(Foto aus Karl Kraus: »Die letzten Tage der Menschheit«)

Die verkniffenen Kommentare zur Hinrichtung von Saddam Hussein im Irak zeigen es deutlich: Man ist gegen die Todesstrafe; schließlich wird sie im Grundgesetz ausdrücklich für abgeschafft erklärt. Aber wenn es ums Hängen geht, kann sich der journalistische Pöbel seine sadistischen Phantasien doch nicht verkneifen und lenkt sie gegen längst verstorbene Feinde: Wäre es nicht viel befriedigender gewesen, Mao Tse Tung am Galgen zu sehen? Oder Lenin? Kommunistische "Massenmörder", die sie waren? Und wenn wir schon dabei sind, blutrünstige Gedanken zu äußern: Wie wäre es mit Fidel Castro?

(2.7.2007) Krieg gegen die Natur

Killing Seals

Sie sagen nicht: "Wir fressen den Seehunden die Fische weg!" Sie sagen: "Die Seehunde fressen uns die Fische weg!" Und mit dieser Rechtfertigung hat die Tourismusindustrie von Kanada und Norwegen eine neue Attraktion von Abenteuerurlaub anzubieten: "Killing Seals!" Sie kommen per Schiff übers Eis und schlagen mit Stöcken bzw. Hakapiks (einer norwegischen Schlagwaffe zur Tötung von Seehundbabys) die kleinen Seehunde tot, die in einer arktischen Robbenkolonie zur Welt gekommen sind. Das Blutbad, das sie anrichten, wiederholt den Brudermord von Kain.

(21.7.2007) Kapitalismus pur

Flugzeugabsturz in Sao Paulo Juli 2007

Das Flugzeugunglück von Sao Paulo zeigt erneut, nach welchen Spielregeln der globale Kapitalismus funktioniert. Erst kommt die Kapitalverwertung, dann erst der Mensch. Schon lange vor dieser größten Katastrophe in der brasilianischen Luftfahrt hatten Experten die Flughafenbetreiber gewarnt und die Schließung ihres Airports gefordert, der mitten in einem Wohngebiet liegt. Die Landebahn sei für Großflugzeuge wie den Airbus viel zu kurz, bei Regenwetter äußerst gefährlich, und die Fluglotsen seien mit der Kontrolle des Luftverkehrs völlig überfordert.

Aber die Warnungen der Experten wurden überhört. Wegen der Nähe zum Finanzzentrum der brasilianischen Millionenmetropole ist der Stadtflughafen von Sao Paulo besonders bei Geschäftsleuten sehr beliebt, und die Flugzeuge starten und landen im Minutentakt. Das Unglück war vorhersehbar. Es regnete in Strömen, auf der Landebahn standen Wasserpfützen, und die Piloten warnten einander über Funk: "Die Piste ist so rutschig, als wäre Seife drauf geschmiert!" Tatsächlich war die Landebahn erst kürzlich frisch asphaltiert und wieder freigegeben worden, obwohl sie noch nicht mit Rillen gefräst war, damit die anfliegenden Flugzeuge beim Aufsetzen im Regen gegen Aquaplaning geschützt wären.

Um das Unglück vollzumachen, funktionierte bei der explodierenden Airbus-Maschine an der rechten Tragfläche die Schubumkehr nicht, mit der die Landegeschwindigkeit abgebremst wird. Auch dieses Manko war schon vor dem Flug bekannt gewesen, wurde aber als unwichtig eingestuft, weil das Airbus-Handbuch angeblich den Start trotzdem erlaubte. Nun zählt man die Leichen und ordnet Staatstrauer an. Der Zeitgenosse aber sagt: So geht es immer zu. Erst muß etwas passieren, ehe etwas geschieht!

(18.8.2007) "Der Hitler regt sich fort in allen"

Plakat "Gebet"

Kein Deutschland kann zu nichts zerfallen!
Der Hitler regt sich fort in allen,
Und jeden hat Er schon beglückt,
Denn Er ist ewig wie Gesetze
Und alle Truppenübungsplätze,
Mit denen Deutschland sich geschmückt.


Den Hitler gilt es nicht zu finden,
Denn Deutschland lebt von Seinen Sünden
Allgegenwärtig - immerdar.
Es opfert Ihm stets Haus und Habe
Und auch das Steißbein noch im Grabe
Auf Seines Wahnsinns Hochaltar.


Plakat "König"

Es krempelt Ihn nach allen Seiten
Um weltenweit Ihn auszubreiten
Samt deutscher Barras-Innigkeit.
Wirst keinen Hochmut da vermissen:
Die ganze Welt wird abgerissen
Und aufgebaut mit deutscher Wertarbeit.


Vom Jazzboy bis zum Straßenkehrer,
Vom Fabrikant bis Volksschullehrer;
Ein Einig Volk -  e i n  Waffenschmied!
Zu Polizeiblick und zum Knüppel
Erzieht dies Volk den dümmsten Büttel
Und singt im Bett sein Deutschlandlied.


Plakat "BMW-Motorrad"

Genießt gefräßig und geduldig
Das bißchen Grütze, der es huldigt,
Das bißchen Hirn, das in den Gossen liegt.
Und schuftet selbst noch nachts im Schlafe
Und spart und schafft an seiner eigenen Strafe,
Die es für seine Dummheit kriegt.


Und wie ihm dies von altersher gelungen,
Ein Kriegeswerk, von Hitlers Wahn durchdrungen,
Bei Maulkorbpflicht in alle Welt zu streun,
So dürfen wir getrost uns fassen
Und ferngesehn das deutsche Schicksal laufen lassen
Und deutscher Zukunft uns erfreun.


                                                           Felix Mondstrahl

(Felix Mondstrahl = Richard Salis: "Goethes politisches Vermächtnis", in »Baubudenpoet«. Eine literarische Zeitschrift. Heft 1/1959)


Es geht auch anders. Doch so geht es auch. Sagt Leporello, alias Fontana.

(22.8.08) Volksgemeinschaft (2)

Volksgemeinschaft 2

Der eine will nur sein Bier. Der andere will endlich eine Frau im Bett. Der dritte sorgt sich um den Kurs seiner Aktien. Der vierte will nicht wahrhaben, daß er geisteskrank ist. Der fünfte, wie die anderen vier, will nur gut dastehen. Der sechste will sich auf keinen Fall erwischen lassen. Der siebte ist ein Schnäppchenjäger. Jeder achte will was Besseres sein. Jeder neunte haßt sich selbst. Jeder zehnte will rasch noch ein Bier, bevor der große Kladderadatsch kommt und alles vorbei ist, sagte der Dichter Zündapp in der Zeitschrift »Harpune« (1/2001). Lang, lang ist's her.




Ein Fundstück von 2012: Ohne Kommentar!

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