Marion Tauschwitz


Do. 4. Juli 2013
20.00 Uhr
Poesie und Biographie

Marion Tauschwitz liest
aus ihrem neuen Buch
»Hilde Domin. Das heikle Leben meiner Worte«


Lesung und Gespräch mit der Autorin


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Buchcover: Marion Tauschwitz - Hilde Domin - Das heikle Leben meiner Worte

Wozu Lyrik heute? Wozu das Gedicht? Hilde Domin (1909-2006) hat darauf sehr persönliche Antworten gegeben. Und das Gedicht als eine Form des Widerstands gegen den Konformismus bezeichnet, der eine "unerwartete Gegenansicht" bietet. Ihre Gedichte sah sie als eine Art Anthologie ihrer selbst, sie seien "so sehr dasselbe wie ich". Vor dem Hintergrund biographisch faßbaren Lebens werden ihre Gedichte zu "magischen Gebrauchsgegenständen, anwendbar für jedermann".

In einer "gesteuerten Gesellschaft", die sich der Jagd nach dem Geld und dem Entertainment verschrieben hat, gelten Gedichte als etwas Unnützes und Überflüssiges. Dem setzt die Germanistin und Domin-Biographin Marion Tauschwitz eine entschiedene Widerlegung entgegen, indem sie zwanzig Domin-Gedichte aus verschiedenen Zeiten auswählt und mit der Lebensgeschichte der Lyrikerin Hilde Domin verbindet. So wird bei diesem Leseabend aus dem Buch »Hilde Domin. Das heikle Leben meiner Worte« wohl endlich deutlich werden, worin der Gebrauchswert des Gedichtes im Gegensatz zum Tauschwert des Geldes liegt.


Hilde Domin

Aus der Einführung von Mira Maase

"Kunst ist nichts für Feiglinge", sagte HAP Grieshaber, der als moderner Holzschneider ziemlich genau wußte, wovon er sprach. Hilde Domin dachte als Lyrikerin ganz genauso. In ihrem Buch »Wozu Lyrik heute« schreibt sie 1975: "Es kann gar nicht genug gesagt werden, daß Kunst von Mut lebt. ... Der Mut, den der Lyriker braucht, ist dreierlei Mut, mindestens: der Mut zum Sagen (der der Mut ist, er selbst zu sein), der Mut zum Benennen (der der Mut ist, nichts falsch zu benennen und nichts umzulügen), der Mut zum Rufen (der der Mut ist, an die Anrufbarkeit des andern zu glauben)."

Daraus ergibt sich auch für sie, warum es sinnvoll ist, sich mit Lyrik zu befassen - als Autorin wie als Leserin:
1. "Lyrik lädt uns ein zu der einfachsten und schwierigsten aller Begegnungen, der Begegnung mit uns selbst."
2. Lyrik bedeutet "den Mut seiner Erfahrungen zu haben, ohne den es Lyrik nicht gibt, gegen den Trend zu gehen, nicht zu sein wie jeder: nicht verwechselbar, nicht berechenbar und daher nicht 'verwendbar', eben lebendig. ... Jeder Lebende erfährt es, zumindest in den hochindustriellen Ländern, daß heute schon die Halb- und Dreiviertelstoten die Mehrheit sind. Der 'Halbtote' ist der programmgerecht funktionierende Mensch, der nur noch auf Störung seines Konsums reagiert."
3. Lyriker sind Hüter der Sprache und wenden sich gegen den Mißbrauch und das Lügen mit der Sprache. Hilde Domin orientierte sich an den Worten des chinesischen Philosophen Konfuzius:

"Wenn die Sprache nicht stimmt, so ist das, was gesagt wird, nicht das, was gemeint ist. Ist das, was gesagt wird, nicht das, was gemeint ist, so kommen die Werke nicht zustande. Kommen die Werke nicht zustande, so gedeihen Moral und Kunst nicht. Gedeihen Moral und Kunst nicht, so trifft das Recht nicht. Trifft das Recht nicht, so weiß das Volk nicht, wohin Hand und Fuß setzen. Also dulde man keine Willkür in den Worten. Das ist es, worauf es ankommt."

Schließlich, das hat Marion Tauschwitz in ihrem Buch über die Entstehungsgeschichte von Hilde Domins Gedichten eindrucksvoll gezeigt, kann Lyrik zur Überlebensweise in schwierigen Zeiten werden.

Marion Tauschwitz war in den letzten fünf Lebensjahren von Hilde Domin ihre engste Mitarbeiterin und Vertraute. Und sie hat über sie eine Biographie geschrieben »Hilde Domin. Daß ich sein kann wie ich bin«, die sie uns 2010 in diesem Kulturzentrum vorgestellt hat. Nun wartet sie mit neuen Entdeckungen und Erkenntnissen auf über die lyrische Welt und das reale Leben von Hilde Domin und damit über die Entstehungsgeschichte von Domin-Gedichten.

Veranstaltung am 4.7.2013 - Marion Tauschwitz liest aus ihrem neuen Buch "Hilde Domin. Das heikle Leben meiner Worte"

Veranstaltung am 4.7.2013 - Marion Tauschwitz liest aus ihrem neuen Buch "Hilde Domin. Das heikle Leben meiner Worte"

Veranstaltung am 4.7.2013 - Marion Tauschwitz mit Mira Maase - Veranstaltung "Hilde Domin. Das heile Leben meiner Worte"

Fotos: © Peter Worm

Do. 23. September 2010
20.00 Uhr
"Lyrische Zeitgenossin"

Marion Tauschwitz (Heidelberg)
stellt ihre Hilde-Domin-Biographie vor

Vortrag, Lesung und Diskussion


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Buchcover: Marion Tauschwitz - Hilde Domin


Was ist das Besondere gewesen an dieser Hilde Domin (1909-2006), die zu ihren Lebzeiten mehr Menschen für zeitgenössische Lyrik gewonnen hat, als das für eine Lyrikerin gewöhnlich der Fall ist? Ihre Persönlichkeit scheint ganz und gar geprägt gewesen zu sein von Krieg und Exil, von Vertreibung und Nachkriegszeit, und ihre Gedichte ganz und gar geprägt durch eine Einheit von Leben und Poesie. Wer sie einmal erlebt hat bei einer ihrer vielen Lesungen, weiß, welche kraftvolle Ausstrahlung sie bis ins Greisenalter gehabt hat.

Ihre Biographin Marion Tauschwitz (geb. 1953) hat bislang unveröffentlichte Quellen erschlossen und erstmals über tausend Briefe im Deutschen Literaturarchiv in Marbach ausgewertet. Dazu war sie in den letzten fünf Lebensjahren Hilde Domins deren engste Mitarbeiterin, Freundin und Vertraute. (Ihr Buch war unser Buch des Monats August 2009.)

Veranstaltung 23.9.2010 - Marion Tauschwitz - Hilde Domin Biographie

Aus der Einführung von Mira Maase

Lyrik und Zeitgenossenschaft - wie paßt das zusammen? Für die lyrische Zeitgenossin Hilde Domin reichte es nicht aus, heute zu leben, um ein Zeitgenosse zu sein. Zeitgenosse war für sie vielmehr der Begriff, auf den sie sich selbst und Autorinnen und Autoren brachte, die ein höheres gesellschaftliches Bewußtsein besitzen - genau gesagt "Geschichtsbewußtsein", und damit ein Bewußtsein von Vergangenheit, Gegenwart und möglicher Zukunft.

Nebenbei gesagt, bildete sie mit dieser dezidiert politischen Haltung geradezu einen Gegenpol zu der pessimistisch-negativen Grundhaltung eines Prof. Adorno, für den Gedichte nach Auschwitz zu schreiben ein Akt der Inhumanität, ja der Barbarei gewesen ist. Für Hilde Domin bedeutete die Verantwortlichkeit des literarischen Autors gerade die Verteidigung eines kulturellen Anspruchs, die sehr viel Mut braucht: "den Mut, er selbst zu sein, den Mut, nichts umzulügen, den Mut, an die Anrufbarkeit der Menschen zu glauben."

Veranstaltung 23.9.2010 - Marion Tauschwitz - Hilde Domin Biographie

In dieser Perspektive wollen wir nun auch das Buch betrachten und diskutieren, das die Autorin Marion Tauschwitz als Biographie über das bewegte Leben von Hilde Domin geschrieben hat. Es ist ein exemplarisches Leben des Ewig-Unterwegsseins gewesen, das geprägt war von Erfahrungen des faschistischen 20.Jahrhunderts und einem Grundvertrauen in ein humanistisches Menschenbild, das gespeist war aus vielen Quellen der Aufklärung. Die lyrische Zeitgenossin Hilde Domin ist also eine gebildete Frau gewesen.

Die Besonderheit der Biographie von Hilde Domin liegt also darin, daß Marion Tauschwitz es versteht, dieses Leben eingebettet zu sehen in die größeren gesellschaftlichen und zeitgeschichtlichen Zusammenhänge.

Veranstaltung 23.9.2010 - Marion Tauschwitz - Hilde Domin Biographie - mit Mira Maase
Fotos: © Peter Worm


Internet

Hilde Domin in Wikipedia

Webseite von Marion Tauschwitz


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