Saddek El Kebir


Do. 24. Januar 2002
20.00 Uhr
Saddek El Kebir (Berlin) erzählt
Von Liebe und Liebesliebe
Erotische Geschichten aus 1001 Nacht


Einmaliges Gastspiel. Ein Theaterabend

zurück
Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung aus dem Munde eines echten algerischen Geschichtenerzählers, der uns Abendländern den Spiegel seiner Kultur vorhält. Im Kontakt mit dem Publikum trägt er seine Geschichten vor, improvisiert, phantasiert und mischt, wie die Süddeutsche Zeitung richtig feststellt, "jahrhundertealte Tradition mit Gegenwart". Die Fabulierkunst des seit 15 Jahren in Berlin lebenden maghrebinischen Erzählers ist ziemlich erotisch, humorvoll und von hintergründiger Weisheit. Eine Ohrenweide in dieser schlimmen Zeit.

Saddek El Kebir erzählt »Von Liebe und Liebesliebe. Erotische Geschichten aus 1001 Nacht«
Foto: © Peter Worm

Interview Aus "imaginata", Juli 1998
"Erzählen und Zuhören: Ein Interview mit dem algerischen Erzähler Saddek El Kebir"

Woher kennen Sie die Märchen, die Sie erzählen?

Kebir: Die Märchen aus 1001 Nacht, die ich erzähle, sind in verschiedenen Fassungen etwa seit dem 12. Jahrhundert aufgeschrieben. Ich habe diese Versionen studiert und versucht zu verstehen: Wie hat man zu dieser Zeit erzählt. Ich erzähle sie aber für die Menschen von heute.

Ihre Märchen stammen also aus Büchern. Sie sind Ihnen nicht erzählt worden.

Kebir: Natürlich habe ich die Märchen aus 1001 Nacht als Kind oft erzählt gehört. Aber mit diesen Märchen ist es wie mit den Märchen der Brüder Grimm. Man muß sie studieren, um sie zu verstehen. Es gibt übrigens meist eine zensierte Fassung und eine unzensierte, erotische Fassung.

Das Märchenerzählen hat aber natürlich nicht nur mit den Geschichten zu tun. Erzählen gelernt habe ich vor allem durch Zuhören. Wer gut zuhören kann, der kann auch gut erzählen. Auch das muß man lernen. Wenn ich vor einer Schulklasse in Deutschland erzähle, kann ich sofort sagen, welches Kind gewöhnt ist, zu Hause Geschichten zu hören und welches nicht.

Welchen Stellenwert hat das Zuhören in Algerien?

Kebir: Im Unterschied zu Deutschland kämpfst du in meiner Heimat darum, daß dir zugehört wird. Man kämpft sogar mit den Händen, man will etwas erzählen, man glaubt, daß nur aufmerksam zugehört wird, wenn man angeguckt wird. Das heißt, es kann sogar handgreiflich werden, daß man dein Gesicht zu sich dreht, damit du zuhörst.

Wo werden heute in Algerien Geschichten erzählt?

Kebir: Zum Beispiel auf dem Markt, der einmal pro Woche stattfindet und der Treffpunkt vieler Menschen ist. Dort treten immer die Geschichtenerzähler auf und haben irgendwelche Geschichten auf Lager. Das alles spielt sich draußen ab: Die Marktbesucher hören zu, man geht und man kommt. Es herrscht nicht diese fast heilige, religiöse Stimmung wie hier beim Geschichtenerzählen. Und in der Familie wird erzählt, ähnlich wie in Deutschland: Die Oma erzählt ihren Enkeln eine Geschichte.

Wer sind denn die Zuhörer auf dem Markt?

Kebir: Die Zuhörer sind Männer.

Gibt es keine Frauen, die zuhören?

Kebir: Auf dem Markt sind es vorwiegend Männer. In Algerien gibt es beim Erzählen zwei Welten: Man ist als Mann sehr neugierig, was die Frauen untereinander erzählen, aber man darf nicht mithören. Die Frauen erzählen mehr im Haus, die Männer außerhalb des Hauses. Das ist in unserer Gesellschaft so geregelt.

Was meinen Sie, was die Menschen fesselt? Der Inhalt einer Geschichte oder die Art und Weise wie sie erzählt wird?

Kebir: Ich denke, die Darstellungsweise. Der Erzähler spielt. Erzählen kann sogar eine Form von Theater sein. Worum es geht, ist weniger wichtig, als wie es erzählt wird. Man erzählt wahre Geschichten, das ist eine Sache. Aber man hört besonders gern wahre Geschichten, die fast unwahr sind. Und wenn die Geschichte phantastisch ist, wunderbare Details hat, entsteht beim Zuhörer eine bestimmte Atmosphäre, etwas sehr Friedliches, das man nicht so schnell vergißt. Die Menschen hier in Deutschland sind das nicht gewöhnt, daß ihnen einfach erzählt wird, ohne daß sie von etwas überzeugt werden sollen oder ihnen etwas aufgedrängt wird. Wenn das Publikum merkt, daß ich nur eine einfache Geschichte von einem Prinzen oder einer Prinzessin erzähle, dann hören sie wirklich zu. Der Zuhörer sieht dann nicht mehr skeptisch, sondern sehr schön und entspannt aus. Und das kann ich am nächsten Abend wiederholen, mit der gleichen Geschichte vor gleichem Publikum. Dabei spielt es keine Rolle, daß die Zuhörer die Geschichte schon kennen.


Seite drucken Suche