Susanna Poldauf


23. April 2009
20.00 Uhr
Susanna Poldauf (Berlin)
»Philidor. Eine einzigartige Verbindung
von Schach und Musik«

Vortrag, Lesung und Diskussion


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Cover: Susanna Poldauf - Philidor

Die Kultur- und Theaterwissenschaftlerin Susanna Poldauf führt auf den Spuren des Schachkünstlers und Opernkomponisten François-André Danican Philidor (1726-1795) tief in die Kulturgeschichte des sogenannten "Jahrhunderts der Aufklärung" hinein. "Philidor - Wunderkind, Schachgenie, Opernkomponist, Buchautor, Blindspieler, Freund Diderots. Es besteht kein Zweifel: hier mußte es sich um eine außergewöhnliche und vielschichtige Persönlichkeit handeln. (...) Gelang es ihm trotz oder gerade durch das häufige Hin und Her zwischen beiden Begabungen, so produktiv zu sein? Durch geschicktes Lavieren und mit unternehmerischem Gespür organisierte er sein Leben als Wechselspiel beider Metiers - bis zum Ausbruch der Französischen Revolution, die seinen Lebensplan auf tragische Weise durchkreuzte."

"Philidor ist der größte Schachspieler aller Zeiten. Er war mit seiner Schachauffassung seiner Zeit 70 Jahre voraus. Später hat niemand einen Vorsprung von mehr als 15 Jahren gehabt." Bent Larsen, dänischer Schachgroßmeister, über zwei Jahrzehnte einer der führenden Schachspieler der westlichen Hemisphäre, in einem Brief an die Autorin.

Philidor (1726-1795)
François-André Danican Philidor (1726-1795)


Aus der Einführung von Mira Maase:

Veranstaltung 23.4.2009 - Philidor - Susanna Podauf

Was wir soeben gehört haben, ist eine Arie aus dem Singspiel »Le Devin du Village«, zu deutsch »Der Dorfwahrsager«, mit der schönen Stimme der Sopranistin Eva Kirchner, die uns zur Einstimmung auf diesen Abend mit dem Liebesgott bekanntmachte. Komponist dieser Ariette, die nachträglich zu der Oper von Jean Jacques Rousseau geschrieben wurde, ist natürlich François-André Danican Philidor (1726-1795), heute besser bekannt als ein Meister des Schachspiels, der das erste systematische Schachbuch geschrieben hat: »L'analyze des échecs« zu deutsch »Analyse des Schachspiels« bzw., wie der Titel der ersten Übersetzung 1754 lautete: »Die Kunst, im Schachspiel ein Meister zu werden«.

Veranstaltung 23.4.2009 - Philidor - Mitglieder der Schachakademie München

Kunst, das ist das übergreifende Stichwort für diesen Abend. Kunst, so hat mal jemand gesagt, alles müsse Kunst werden, die Malerei, das Denken und auch die Politik. Auch wenn wir heute, was die Politik betrifft, noch weit davon entfernt sind, von einer Kunst der Politik sprechen zu können, sei hier doch einmal auf das Schachspiel verwiesen, in dem es mit Strategie und Taktik, mit Angriff und Verteidigung, und schließlich mit dem kunstvollen Aufbau zwischen Eröffnung und Endspiel um eine Komposition geht, in der die Gegenzüge des Gegners von Anfang an einbezogen werden müssen - gleichsam eine musikalische Durchführung eines Themas von gegensätzlichen Positionen aus.

Veranstaltung 23.4.2009 - Philidor - Susanna Podauf

Interessant ist in diesem Zusammenhang die These des Schachtheoretikers Juan Maria Solare, die sich anläßlich der Veröffentlichung des Buches von Susanna Poldauf in der Schachzeitschrift KARL gefunden hat:

"Philidors Essay über Bauernstrukturen erschien siebenundzwanzig Jahre nach der Harmonielehre von Rameau, den Philidor kannte und bewunderte. Beide Denkmethoden sind vergleichbar, beide Autoren sind Söhne der Aufklärung. Die Beherrschung der Technik des Generalbasses könnte Philidor den Denkanstoß gegeben haben, ein Äquivalent für das Schachspiel zu suchen."

Veranstaltung 23.4.2009 - Philidor - Susanna Podauf

Susanna Poldauf, Jahrgang 1969, hat mit ihrem schönen Buch über Philidor den Zusammenhang von Bauernstruktur und Generalbaßlehre vertieft. Sie ist im übrigen Kultur- und Theaterwissenschaftlerin, Mitherausgeberin eines Standardwerkes über Emanuel Lasker, den ersten deutschen Schachweltmeister, und hat im Jahre 2006 in Berlin in den Räumen der Lasker-Gesellschaft die Ausstellung "Schach und Musik" mitkonzipiert und -ausgerichtet. Mit dem Titel »Emanuel Lasker - Homo ludens. Homo politicus« wird abermals der Zusammenhang von der Kunst des Spielens im Sinne einer umfassenden Spieltheorie und der Kunst der Politik hergestellt, wie er für den künstlerischen Menschen vom Schlage eines Philidor selbstverständlich gewesen ist. Wir dürfen nur nicht den Fehler machen, unter Politik das primitive Hickhack zu verstehen, das heute noch als Politik ausgegeben wird. Als Schachspieler hat uns Philidor gezeigt, was Politik sein könnte, wenn man sie als Kunst betreiben würde, die auch den ästhetischen Ansprüchen genauso genügen würde wie ethischen Maßstäben. Auch der Lebenskünstler ist ja ein politischer Mensch, also homo politicus, der den Widrigkeiten des Lebens standzuhalten weiß.

Veranstaltung 23.4.2009 - Philidor - Susanna Podauf mit Mira Maase
Fotos: © Peter Worm

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